Eschentriebsterben

Überlegungen Mai, 2017

Seit ca. 10 Jahren ist das Eschentriebsterben in Österreich bekannt. Es wird vom aus Asien eingeschleppten Schlauchpilz, Falsches Weißes Stengelbecherchen, hervorgerufen. Seit einigen Jahren ist auch bekannt, dass sich der Pilz auf die Verankerung der Bäume auswirkt. Es kommt zu Baumstürzen und es ist zu erwarten, dass diese Stürze häufiger werden. Grundsätzlich gibt es zu diesem Thema einige hervorragende Broschüren, zB.:


Ich will jetzt etwas genauer auf die Vorhersehbarkeit der Baumstürze eingehen, wir als Baumkontrollore anhand der Symptome diese vorhersagen müssen. Daher ist es essenziell zu wissen, welche Symptome bevorstehende Versagen anzeigen. Wenn wir diese Schadsymptome kennen, müssen wir überlegen, ob von der üblichen Vorgehensweise bei der Baumkontrolle, Suchen und Bewerten von Schadsymptomen, abgegangen werden muss.

Eschentriebsterben und Verkehrssicherheit
Die Schäden des Eschentriebsterbens in den Baumkronen sind in der Fachliteratur (siehe oben) gut beschrieben und einfach erkennbar.

Die Schäden an den Wurzeln sind naturgemäß nicht sichtbar. An gestürzten Bäumen ist zu erkennen, dass die Wurzeln zum Teil vollständig zersetzt sind. Was aber ist für den Baumkontrolleur erkennbar, um auf das drohende Versagen reagieren zu können?

Liegt der Baum, so ist immer abgestorbene Rinde zu erkennen. Darunter ist das Splintholz braun verfärbt, das Kambium ist tot. Oft sind Wachstumsdefizite, die durch Wundholz begrenzt sind, zu erkennen. Oft ist auch ein stärkerer Wundholzwulst zu sehen.

Ebenfalls treten rindenfreie Wurzelanläufe auf. Diese Wurzelanläufe zeigen wenige cm über dem Bodenniveau einen horizontal verlaufenden Wundholzwulst, darüber ist intakte Rinde, darunter nacktes (eventuell nur oberflächlich?) abgestorbenes Splintholz. (siehe Abbildungen)
Praktisch alle versagten Bäume hatten eine massiv vom Eschentriebsterben geschädigte Krone mit hohem Totholzanteil und typischen Reiteraten.

These
Von mir und Mitarbeitern wurden drei versagte Eschen und sechs stehende (von einer nur der Baumstumpf, da gerodet) genauer untersucht. Erste Erkenntnis dabei ist, dass nur Eschen mit starken Absterbeerscheinungen in der Krone ein erhöhtes Risiko für Standversagen zeigen. Dabei wurden folgende Symptome erkannt, die wir in Zusammenhang mit dem Standversagen und Eschentriebsterben gebracht haben:

  1. abgestorbene Rinde
  2. Wachstumsdefizite
  3. Wundholzwülste (begrenzen meist die Wachstumsdefizite)
  4. längliche Risssymptome mit dunkler Verfärbung zwischen den Borkeplatten
  5. Wurzeln ohne Rinde mit horizontal verlaufenden Wundholzwülsten

Symptomgruppe 1 bis 3 (abgestorbene Rinde, Wachstumsdefizite, Wundholzwülste) Offensichtlich leitet das Absterben der Rinde (= eventuell das Absterben des Kambiums?) den sichtbaren Prozess ein. Das Splintholz ist braun bis schwarz verfärbt. Kann der Baum den Pilz einigermaßen abwehren oder zumindest bremsen, so bilden sich über die Jahre Wachstumsdefizite, die von Wundholzwülsten begrenzt werden. Diese Symptome, Wachstumsdefizite und Wundholzwülste, sind gut zu sehen, müssen korrekt interpretiert werden und erlauben eventuell auch eine gewisse Zukunftsprognose.

Ob tatsächlich die Rinde abgestorben ist, lässt sich manchmal nicht leicht feststellen. Selbst Klopftests haben mitunter keinen Klangunterschied erbracht. Es war auch immer wieder wirklich schwer die Rinde, selbst mit einem Maurerhammer, an noch stehenden Bäumen abzulösen. Dadurch, dass die meisten betroffenen Rindenpartien konkav eingezogen waren (die Problemstellen sind halt meist zwischen den Wurzelanläufen oder in Wachstumsdefiziten) hält die Rinde dort auch als abgestorbene noch Jahre. Es fehlen zwar die Zuwachstreifen, auf die jeder ausgebildete Baumkontrolleur schauen sollte völlig, nur sind auch bei vitalen Bäumen Zuwachstreifen zwischen den Wurzelanläufen nicht immer sichtbar. (siehe Abbildungen zu Baum 1, 2, 5 und 6).
Anmerkung zu den Bildern:
Abgestorbene Rinde mit blauen Pfeilen markiert
Wachstumdefizite mit roten Pfeilen markiert
Wundholzwülste mit schwarzen Pfeilen markiert

Symptom 4 (längliche Risssymptome mit dunkler Verfärbung zwischen den Borkeplatten)
Bei manchen Bäumen sind auch längliche Risssymptome zu sehen. Offensichtlich stirbt dort das Kambium nicht flächig sondern in kleineren Bereichen ab, die von Wundholz begrenzt werden. Die Bildung von Wundholz unter der teilweise abgestorbenen Rinde führt zur uneinheitlichen Oberfläche und zu den Risssymptomen. (Abbildungen zu Baum 3, 6, 7, 8 und 9).
Anmerkung zu den Bildern:
Risssymptome Rinde mit orangen Pfeilen markiert

Symptom 5 (Wurzeln ohne Rinde mit horizontal verlaufenden Wundholzwülsten)
Wurzeln ohne Rinde mit horizontal verlaufenden Wundholzwülsten waren bei zwei versagten Bäumen (Baum 3 und 5) zu sehen. Baum 3 dürfte schon länger gelegen sein. Wie sehr diese Symptome jetzt wirklich repräsentativ sind kann ich nicht sagen, jedenfalls habe ich bei Baum 4 in einem Kindergarten wegen dieser Symptome eine Fällung angeordnet.
(siehe Abbildungen Baum 3, 4 und 5). 
Anmerkung zu den Bildern: 
Wurzeln ohne Rinde mit horizontalem Wundholz mit grünen Pfeilen markiert


Folgerungen
In meinem Betrieb bin ich in Zusammenarbeit mit meinen Baumkontrolloren zu folgender Vorgehensweise gekommen:

Bei Eschen auf feuchtem Boden, eventuell in dichterem Bestand, sollte man einen Hammer (am besten ein Maurerhammer mit Flunke) mitnehmen. Normalerweise wird ein Werkzeug von der Ö-Norm L 1122 nicht vorgeschrieben. Hier erscheint es uns aber sinnvoll. Unserer Erfahrung nach sind von der Problematik des Stand- und Bruchrisikos infolge Eschentriebsterbens nur Eschen betroffen, die in der Krone massive Symptome des Eschentriebsterbens zeigen. Werden diese starken Schäden in der Krone erkannt, ist es notwendig dem Wurzelanlauf besonderes Augenmerk zu schenken. Sind Symptome, wie oben 1 bis 5 erkennbar, so müssen wir Maßnahmen in Erwägung ziehen.

Grundsätzlich konnten wir feststellen, dass bei den Eschen das drohende Versagen an erkennbaren Symptomen angezeigt wird. Es ist erforderlich sich diese Symptome zu vergegenwärtigen und gezielt danach zu suchen. Es ist aber diskussionslos auch so, dass bei einzelnen Bäumen die Symptome zwar vorhanden, aber nicht leicht erkennbar sind.

Das stellt uns vor ernste Probleme. Nun ist es so, dass auch die Judikatur einräumt, dass nicht alle Versagen vorhersehbar sind. Baumkontrolleure können nur feststellen, was wirklich im Rahmen der in der Ö-Norm L 1122 beschriebenen Verkehrssicherheitskontrolle erkennbar ist. Nur bei begründetem Verdacht (und dieser Verdacht muss sich aus dem sichtbaren Zustand des Baumes ergeben und nicht ein allgemeiner Verdacht sein) sind wir verpflichtet eingehend zu kontrollieren. Wir kennen die Schadsymptome, die eine Stand- und Bruchsicherheitsgefährdung anzeigen. Wir wissen, dass diese Symptome manchmal schwer erkennbar sind.

Die entscheidende Frage ist nun: Wie viele Bäume drohen zu versagen, ohne dass wir Symptome im Rahmen der Verkehrssicherheitskontrolle erkennen können. Ist die Zahl ausreichend gering, so fallen diese Bäume unter „unvorhersehbare Ereignisse“, wie z.B.: unvorhersehbare Grünastbrüche. „Unvorhersehbar“ bedeutet eben, dass es nicht zu sehen ist. Ist die Zahl der „unvorhersehbaren“ Versagen zu hoch, müssen wir – ohne momentan zu wissen wie -reagieren. Denn die Rodung aller Eschenbestände kann nicht die Antwort sein. Das wäre eine weit überzogene Maßnahme. Leider ist so eine Empfehlung aber schon von zuständiger Stelle ausgesprochen worden. Siehe http://www.langenzersdorf.gv.at/system/web/GetDocument.ashx?fileid=1128639

Es ist also erforderlich, dass die Scientific Community reagiert und zu einer übereinstimmenden Lösung kommt. Ich gehe davon aus, dass vorerst rund um die Eschen keine Veränderung der Baumkontrolle erforderlich ist. Die überwiegende Anzahl der Versagen zeigen sich durch Symptome, teilweise Jahre im Voraus an. Wir kennen die Symptome, wir müssen sie lesen. Bei einzelnen sehr schwer erkennbaren Symptomen bekommen wir eventuell Schwierigkeiten. Sollte die Zahl dieser Fälle ausreichend klein bleiben, fallen sie unter unvorhersehbare Ereignisse.

Es ist mir sehr wichtig, klar auseinander zu halten, ob bei einem Baumversagen Symptome erkennbar waren oder nicht. Es muss von kompetenter Seite festgestellt werden, ob Schadsymptome sichtbar waren. Es darf nicht passieren, dass falls Symptome übersehen wurden, versucht wird, Versagensereignisse mit eigentlich sichtbaren Symptomen als unvorhersehbar einzustufen. Dann würde unsere Branche große Probleme bekommen.

Ausblick
Jetzt ist es erforderlich, dass die Scientific Community versagte Eschen danach untersucht, welche Schadsymptome sichtbar waren und diese mit Fotos dokumentiert. Diese Ergebnisse müssen danach evaluiert werden. Als Ergebnis dieser Evaluierung könnte ein neuer Zugang zum Standversagen bei Eschen mit Eschenstriebsterben erforderlich werden oder es kann alles bleiben, wie es ist.

Solange sich keine andere Organisation in Österreich dieses Themas annimmt, bitte ich Bilder mit solchen Versagen + Daten der Bäume (Versagen wann, wo, wurden Kontrollen durchgeführt, ...) an mich zu senden. Ich werde diese Fälle auf meiner Page veröffentlichen (im Bedarfsfall anonymisiert) und zur öffentlichen Diskussion stellen. Die meisten Versagen werden sich wohl in Waldbeständen oder sonstigen Flächen, die keiner Verkehrssicherheitskontrolle unterliegen, ereignet haben, sie sind aber für diese Untersuchung genauso relevant, wie Versagen in Kommunen

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